LOS GIGANTES TRAININGSLAGER
BARCELONA, APRIL 2006


Barcelona


Montag, 24. April 2006

Deutschland, das Land des ewigen Herbstes hat in unserer Abwesenheit sein Gesicht verändert. Grau waren die Straßen der Stadt und der Menschen, als wir aufbrachen, jetzt ist hier alles hell und grün. Wo Schneematsch lag, blühen nun Tulpen und Narzissen, wo Missmut und Übellaunigkeit regierten, herrschen nun Fun und Happiness. Das führen wir auf unsere Rückkehr zurück.

Es überrascht sicherlich niemanden, wenn ich hier schreibe, daß der Auftritt im "el Venezia" im Herzen Barcelonas ein voller Erfolg war.
Geladene Gäste, zufällig vorübergehende Flaneure, Freunde und Veranstalter konnten wir für uns einnehmen. Die Nachbarn hingegen waren vom vollen, männlichen Ton von Ralfs Trompete so überrascht, dass sie in ihrer Angst zum Beschwerdetelefon griffen, was uns zwang in den Clubbereich im Kellergeschoß umzuziehen. Dort setzten wir unser Konzert vor der Elite der Stadt fort. Viele Zugaben mussten wir geben, bis wir endlich die Bühne dem DJ überlassen durften.
Wir sind sicher, in Bälde zurückkehren zu dürfen.

Der nächste Tag war von Trauer geprägt, mussten wir doch schon die Heimreise antreten. Zuvor jedoch galt es, das Kraftfahrzeug mit allerlei Leckereien aus hiesiger Produktion (oder aus den alten Kolonien) zu füllen. So führte uns der Weg ein letztes Mal in die Perlen des katalonischen Einzelhandels. Mit den Kaufleuten wurde man schnell handelseinig, sodass gegen gewisse Summen Geldes Zug um Zug Wein, Würste, Rum, Boquerones und Heiligenfigürchen übergeben wurden.

So beladen und mit dem guten spanischen Benzin im Tank begannen wir die lange Fahrt nach Hause. Nach zehn Stunden kam es zum Grenzübertritt, eineinhalb Stunden später erreichten wir die Stuttgarter Gemarkung.


Freitag, 21. April 2006

Barcelona, du Perle Kataloniens, du Juwel am Mittelmeer. Du verzauberst uns mit deiner Anmut, deiner Großzügigkeit, beeindruckst uns mit deinem Reichtum und deiner Klasse. Wir sind vor lauter Begeisterung kaum, um nicht zu sagen, nie zum Proben gekommen. Gestern waren wir sogar nahe dran, ein Lied zu schreiben, dann gewann die Trunksucht doch wieder die Oberhand.

Wir schlendern durch die Straßen und sehen immer wieder Kleinodien des Jugendstils. Bekanntester Vertreter hier ist sicherlich Antoni Gaudí, dessen Werk in seiner Radikalität heute noch erstaunt. Der weit weniger bekannte Josep Fuster, ein etwas jüngerer Zeitgenosse Gaudís, schuf allerdings Monumente revolutionärer Architektur, gegen die die "Sagrada Familia" nicht ungewöhnlicher wirkt, als der Neubau der Edeka-Filiale im Gewerbegebiet von Korb. Hier sei nur auf Fusters letztes Bauwerk verwiesen, auf die Casa Blau am Westrand Barcelonas. Da steht ein wuchtiges Sandsteingebäude, dessen Ornamentik, dessen naturalistische Form mal an Tropfsteinhöhlen, mal an unterseeische Vulkane erinnert und dabei doch eine Freundlichkeit, ja Leichtigkeit ausstrahlt, die einem unwillkürlich ein Lächeln ins Gesicht zaubert.

Dies wurde möglich durch eine völlig neue Technik der Steinbearbeitung, die vor Josep Fuster (und auch nachher) nie zum Einsatz kam. Fuster ließ nämlich den an sich bereits bewohnbaren, aber in seiner Kastenhaftigkeit noch wenig attraktiven Bau nach einem genauen Plan mit einem säurefesten blauen Spezialputz beschichten. Die einfache, aber geniale Idee Fusters war, dass der ätzende Kot der zahlreichen Tauben der Stadt all die unverputzten Stellen "bearbeiten" sollte. Über fast hundert Jahre also vollenden nun schon Vögel das Werk eines großen Geistes. Naturnahes Wohnen kann so einfach sein.

Heute Abend, liebe Leserinnen und Leser, werden wir tatsächlich einen Auftritt haben. Spontan hat sich die Gelegenheit ergeben, einer in Barcelona ansässigen Agentin vorzuspielen. Zu diesem Zwecke werden wir uns im "el Venezia" (Gran Via C.C. 667, Ecke Bailèn) einfinden, um vor dem dortigen Publikum unser Bestes zu geben. Vielleicht ergeben sich für die nächsten Jahre dadurch Auftrittsmöglichkeiten. Dann verstummen die Klagerufe all der Fans, die bemängeln, dass wir nur in Süddeutschland aufspielen.

Damit möchte ich schließen, ein wenig Vorbereitung kann uns nicht schaden.


Montag, 17. April 2006

Viel wurde über das Reisen geschrieben, Berichte, Erzählungen, Romane über fremde Kulturen, unbekannte Länder. Reisen sei Abenteuer, wurde uns stets vermittelt, berge Risiken und Gefahren, verlange Zähigkeit und eiserne Nerven, ebenso eine gute Ausrüstung und Dutzende eingeborener Träger. Heutzutage aber kann jeder Depp reisen, Übergewicht, fehlende Vorbereitung, Desinteresse am Fremden an sich sind längst kein Hinderungsgrund mehr. Beste Voraussetzungen also für die Giganten des Fernreisewesens, sich ins Auto zu setzen und nach Barcelona zu fahren.

Vor Reisebeginn gaben sie der Presse und ihren Fans gegenüber vor, eine Bildungsreise anzutreten, insgeheim war jedoch der Plan gefasst worden, sich in erster Linie dem Genuss, ja dem Rausch hingeben zu wollen.

Zuerst galt es allerdings gute 1200 Kilometer zu bewältigen, was innerhalb einer Nacht gelang. Die Fahrbahnmarkierungen flogen vorbei, die Kulturlandschaften des Elsass, des Burgund, des Roussillon, sie verschwammen, bis schließlich das Meer vor uns lag. Dann die Suche nach dem Hotel, Frühstück, Mittagschlaf, Abendessen, Feierabendtrunk, Nachtruhe.

Unsere katalanische Kubaconnection lud uns für den nächsten Abend ein, sie zu einem ihrer Konzerte zu begleiten. Gerne nahmen wir das Angebot an, sicherheitshalber mit unseren Instrumenten, um notfalls helfend ins Geschehen eingreifen zu können. Und es zeigte sich, dass dieser Gedanke gut war. Unser Ruf war uns vorausgeeilt, und der Ruf nach einigen Beispielen unserer Kunst, ja das Flehen, doch zu singen und zu spielen, wurde so laut, dass wir uns schliesslich erweichen liessen, die Bühne betraten, die üblichen Gefühlsregungen hervorriefen, den üblichen Jubel huldvoll entgegennahmen, dann einige Weine tranken, uns nach Hause fahren ließen, um dort in einen tiefen Schlaf zu fallen.